Leitfaden Privatinsolvenz
Die Privatinsolvenz (Verbraucherinsolvenz) kann einen möglichen Weg aus den Schulden darstellen. In diesem Ratgeber erhältst Du einen Überblick, wie Du durch eine Privatinsolvenz wieder in ein geordnetes Leben zurückfinden kannst.
Bist Du zahlungsunfähig?
- Überfluten Rechnungen und Mahnungen Deinen Briefkasten?
- Haben Mahnbescheide und Vollstreckungsbescheide das Regiment über Dein Leben übernommen?
- Traust Du Dich nicht mehr, Deine Post zu öffnen oder gar zum Briefkasten zu gehen?
- Wachsen Dir die Schulden über den Kopf?
- Wird bereits vollstreckt? Ist Dein Konto und/oder Dein Lohn gepfändet?
- Siehst Du keine vernünftige Lösung mehr, wieder in ein geordnetes Leben zurück zu finden?
Wenn auch nur einer dieser Punkte auf Dich zutrifft, dann ist es Zeit über eine Privatinsolvenz, offiziell richtig “Verbraucherinsolvenz” genannt, nachzudenken.
Die Vorteile der Verbraucherinsolvenz
Das Privatinsolvenzverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, an dessen Ende Dir die Restschulden erlassen werden. Es dauert zwischen drei und sechs Jahren und ermöglicht Dir ein neues Leben ohne Verbindlichkeiten zu beginnen. Dieses Verfahren bietet Dir im wesentlichen folgende Vorteile:
- Du bist nach 3 Jahren schuldenfrei (Schufa “Restschuldbefreiung erteilt” wird bereits nach 6 Monaten erfolgen und Dich dadurch nicht mehr belasten)
- Deine Finanzen befinden sich unter Kontrolle – Du kannst Dich wieder um die wichtigen Dinge kümmern
- Während der Dauer des Insolvenzverfahrens bist Du vor Pfändungen Deiner Altgläubiger geschützt
Wie beginne ich ein Privatinsolvenzverfahren?
Zuerst solltest Du Dir professionelle Hilfe suchen. In dem meisten Fällen wird dies eine Schuldnerberatung sein. Aber es kommen durchaus Fachanwälte für Insolvenzrecht in Betracht: Letztere berechnen jedoch Gebühren während Schuldnerberatungen häufig ohne oder mit nur geringen Kosten arbeiten.
Die Schuldnerberatung wird versuchen mit Deiner Mithilfe einen Überblick über Deine momentane finazielle Situation zu verschaffen.
- Wie hoch sind Deine Schulden?
- Wievielen Gläubigern schuldest Du Geld?
- Welche laufenden Kosten musst Du jeden Monat bestreiten?
- Was benötigst Du zum Leben?
- Wie hoch ist Dein Einkommen?
Aus all diesen Parametern wird der Schuldnerberater mit Dir einen Weg aus Deinem Schuldenchaos ermitteln. Er wird berechnen welchen Betrag Du monatlich zur Rückzahlung aufbringen kannst. Dementsprechend wird er Deinen Gläubigern einen entsprechenden Schuldenbereinigungsplan vorlegen.
Merke: Eine Privatinsolvenz darf erst dann eröffnet werden, wenn der Schuldenbereinigungsplan gescheitert ist.
Privatinsolvenzverfahren geht nur, wenn außergerichtliche Einigung fehlschlägt
Wird der Schuldenbereinigungsplan von den Gläubigern akzeptiert und von Dir auch eingehalten, hat sich das Insolvenzverfahren erledigt. Genauer gesagt würde es zu diesem erst gar nicht kommen, da ein Insolvenzverfahren prinzipiell immer nur dann in Betracht kommen kann, wenn eine außergerichtliche Schuldenbereinigung gescheitert ist. Dieses Scheitern muss durch eine geeignete Stelle dann auch dokumentiert und bestätigt werden. In der Regel wird diese geeignete Stelle eine Schuldnerberatung sein. Möglich sind natürlich ebenso Fachanwälte für Insolvenzrecht.
Diese zwingende Notwendigkeit eines außergerichtlichen Einigungsversuchs ist eine Besonderheit der Verbraucherinsolvenz (Privatinsolvenz) und unterscheidet klar zwischen der Regelinsolvenz, welches diesen Einigungsversuch nicht vorschreibt.
Die Voraussetzungen für eine Privatinsolvenz:
Prinzipiell steht jedem Verbraucher der Weg in die Privatinsolvenz offen. Dennoch gibt es drei Ausnahmen, die man kennen sollte um die Restschuldbefreiung nicht zu gefährden.
- Schuldner muss eine “natürliche Person”, also eine Privatperson sein. Firmen, Vereinen oder Gesellschaften müssen den Weg der Regelinsolvenz gehen.
- Schuldner darf nicht selbständig tätig gewesen sein. Somit ist beispielsweise für Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte oder auch Kleingewerbetreibende der Weg in die Privatinsolvenz verschlossen. Zumindest wenn diese freiberuflich oder selbständig tätig sind oder waren. Hier ginge dann ebenfalls der Weg nur über die Regelinsolvenz.
Doch keine Regel ohne Ausnahmen:
Ehemalige Selbständige können den Weg in die Privatinsolvenz beschreiten, wenn:
- … die selbständige Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wird UND
- … höchstens 19 Gläubiger zu bedienen sind UND
- … keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen offen sind, zum Beispiell ausstehende Lohnzahlungen.
Nachdem jetzt geklärt ist, ob Du überhaupt berechtigt ist, eine Verbraucherinsolvenz zu beginnen, können wir uns jetzt dem eigentlichen Verfahren widmen.
Am Beginn steht der Schuldenbereinigungsplan
Ich habe es oben bereits erwähnt, dass Du zu allererst versuchen musst, dich mit Deinen Gläubern außergerichtlich zu einigen. Dazu gehört, sich einen Überblick daüber zu verschaffen, wem Du wieviel Geld schuldest. Erfahrungsgemäß ist diese Weg nicht so einfach, da nicht jeder immer alle Rechnungen und Mahnungen akkurat aufbewahrt. Oft wird bei stark überschuldeten Personen die Post gar nicht mehr geöffnet und im besten Fall im Schuhkarton deponiert. Im schlimmerem Fall wird die Post ungelesen weggeworfen.
Das Verbraucherinsolvenzrecht jedoch verlangt, dass Du mit allen Deinen Gläubigern Kontakt aufnimmst und diesen dann einen Schuldenbereinigungsplan vorlegst. In der Praxis wirst Du das eher nicht selbst erledigen. Du wirst diese Arbeit einer Schuldnerberatung beziehungsweise einem Anwalt für Insolvenzrecht überlassen. Allerdings sind auch diese Personenkreise auf Deine tätige Mithilfe angewiesen.
Wichtig ist alleine, dass möglichst alle Gläubiger erfasst werden und niemand gar absichtlich “vergessen” wurde. Durch solche Aktionen würde man nur unnötigerweise seine Restschuldbefreiung gefährden.
Schuldenbereinigungsplan steht und alle Gläubiger stimmen zu?
Das wäre der Idealfall, der Dir die Verbraucherinsolvenz ersparen würde. Hast Du einen Rückzahlungsplan, dem jeder Gläubiger zugestimmt hat, ist es der einfachste Weg aus Deinen Schulden zu geraten. Du hältst den Plan einfach nur ein und bist nach Ablauf des Schuldenbereinigungsplans schuldenfrei.
Hierfür wird kein Gericht benötigt. Es fallen auch keine Gerichtsgebühren an. Du musst lediglich die Gebühren für den Schuldnerberater beziehungsweise für den Rechtsanwalt berappen.
Schuldenbereinigungsplan steht und ein Gläubiger lehnt ab?
Jetzt kommen wir in die klassische Insolvenzsituation. Mindestens ein Gläubiger lehnt den Schuldenbereinigungsplan ab und/oder vollstreckt bereits. Jetzt ist klar – die aussergerichtliche Einigung ist gescheitert. Jetzt steht Dir der Weg ins Insolvenzverfahren offen. Ich werde Dir im Folgenden dazu das wichtigste erzählen.
Ich bin so pleite, ich kann überhaupt keinen Schuldenbereinigungsplan einhalten!
Auch hier liegt ein klassischer Fall für die Privatinsolvenz vor. Diese Situation tritt häufig bei Personen auf, die soziale Transferleistungen, wie beispielsweise Hartz IV beziehen, die lediglich das absolute Existenzminimum abdecken sollen. Logisch lässt sich vom nackten Existenzminimum nichts mehr für eine mögliche Schuldentilgung abzwacken.
Wenn Du also nichts mehr hast, was Du Deinen Gläubigern anbieten kannst, bist Du aus eigenen Gründen nicht in der Lage einen Schuldenbereinigungsplan einzuhalten. In diesem Fall steht Dir ebenso der Weg in die Privatinsolvenz offen, der Dir die Schuldenfreiheit in spätestens sechs Jahren ermöglicht.
Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Der gerichtliche Einigungsversuch
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das Insolvenzgericht versuchen eine Einigung zwischen Dir und den Gläubigern zu erwirken. Kommt es zu einer Einigung, die Juristen sprechen hier von einem Vergleich, wäre das Insolvenzverfahren beendet. Allerdings ist dieser Einigungsversuch in den wenigsten Fällen erfolgreich. In den meisten Fällen scheitert auch die gerichtliche Einigung. Jetzt ist der Weg frei für das gerichtliche Insolvenzverfahren.
Das gerichtliche Insolvenzverfahren
Das Gericht setzt jetzt einen Treuhänder ein. Dieser übernimmt für die gesamte Dauer des Insolvenzverfahrens die Verwaltung über Dein Vermögen. Er verteilt das verwertbare Vermögen und leistet Zahlungen an die Gläubiger. Während der gesamten Dauer der Privatinsolvenz musst Du jetzt den pfändbaren Anteils Deines Einkommens an den Treuhänder abgeben. Du brauchst Dich also nicht darum zu kümmern, welcher von Deinen Gläubigern welchen Betrag bekommt. Dies erledigt alles der Treuhänder für Dich. In der Praxis wirst Du selbst nur sehr wenig mit dem Treuhänder zu tun haben. Er verwält Dein Vermögen und Deine Einkünfte und gut ist. Du kannst Dich jetzt um die wichtigen Dinge des Lebens kümmern und hast den Kopf frei. Solange Du keine neuen Schulden machst, hast Du keine Pfändungen zu befürchten. Du lebst ab jetzt wirklich sorgenfrei. Alles Einkommen bis zu Deiner Pfändungsfreigrenze gehört Dir!
Dein Antrag auf Erlass Deiner Restschulden
Im Rahmen des gerichtlichen Insolvenzverfahrens wirst Du einen förmlichen Antrag auf Erlass Deiner Restschulden stellen. Wenn Du die nun folgende Wohlverhaltensperiode erfolgreich absolvierst, steht einer Restschuldbefreiung nichts mehr im Wege.
Die Wohlverhaltensphase
Dein verwertbares Vermögen wurde bereits im eigentlichen Insolvenzverfahren durch den Treuhänder an Deine Gläubiger weitergeleitet. Jetzt beginnt eine in der Regel sechsjährige Wohlverhaltensphase. Unter Vorliegen gewisse Voraussetzungen kann eine Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren erfolgen. Während dieses Zeitraumes darfst Du Dir nichts zu Schulden kommen lassen
Ab jetzt trittst Du den pfändbaren Teil Deines Einkommens an den Treuhänder ab. Dieser kümmert sich um die Verteilung an Deine Gläubiger. Der pfändbare Teil orientiert sich an der aktuellen Pfändungstabelle. Du findest bei uns im Downloadbereich stets die aktuell gültige Pfändungstabelle. Die Pfändungstabelle wird stets im Juni/Juli der ungeraden Jahre an die aktuellen Lebenshaltungskosten angepasse. Die nächste Anpassung erfolgt demgemäß im Juli 2019.
Deine 4 wichtigsten Pflichten während der Wohlverhaltensperiode
Dein Weg zur künftigen Restschuldbefreiung verlangt Dir einige Pflichten ab. Der Gesetzgeber möchte schließlich nur den rechtschaffenen Schuldner “belohnen”. Er möchte Dir eine zweite Chance bieten, Dein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Von daher ist es nur verständlich, wenn der Gesetzgeber einige wenige Verhaltenspflichten von Dir einfordert:
- Bemühen um Arbeit: Du musst Dich ernsthaft um eine zumutbare Arbeit bemühen. Dadurch soll ein “abwartendes Ausruhen” auf der sozialen Hängematte vermieden werden. Das Motto “ich arbeite nur soviel, bis meine Pfändungsfreigrenze erreicht ist” kann und darf nicht funktionieren. Du sollst während der Wohlverhaltensphase alles dafür tun, dass Deine Gläubiger wenigstens teilweise noch zu ihrem Geld kommen.
- Auskunftspflicht gegenüber Treuhänder und Insolvenzgericht: Selbstverständlich musst Du auf alle Anfragen des Insolvenzgerichts oder des Insolvenzverwalters reagieren. Von Dir aus musst Du beide informieren, wenn Du einen neuen Job annimmst, wenn sich Deine Einkommenssituation ändert oder auch wenn Du Deine Wohnadresse wechselst.
- Herausgabe von Vermögen bei Schenkung, Erbschaft, Lotteriegewinn usw.: Hier gilt das fünfzig zu fünfzig Prinzip. Die eine Hälfte darfst Du behalten – die andere Hälfte geht an den Treuhänder, der sich dann um die Verwertung kümmert.
- Leiste niemals Zahlungen direkt an einen Gläubiger: Für Zahlungen an den Gläubiger ist alleine der Insolvenzverwalter zuständig. Er und nur er darf Zahlungen an einen Gläubiger durchführen.
Du hast es geschafft. – Es erfolgt die Restschuldbefreiung!
Hast Du die Wohlverhaltensphase überstanden winkt jetzt die Belohnung in Form der Restschuldbefreiung. Jegliche Schulden, die Du jetzt noch hast, werden Dir erlassen. Der Weg ist frei für einen unbesorgten finanziellen Neuanfang